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Reaktionen aus der japanischen Musikszene –
DIR EN GREY’s „Scream for the truth“-Website fordert Aufklärung in Sachen "Fukushima"

Miriam Schwarz (Januar 2012)


(DIR EN GREY

Nach der Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 gab es viele Reaktionen aus der japanischen Musikszene. DIR EN GREY, eine japanische Metal Band aus Ôsaka, hat in Folge der Ereignisse von 3/11 eine Homepage ins Leben gerufen, die das Motto „Scream for the truth“ trägt. Mit der Website wollen die Bandmitglieder ihre Kritik an der japanischen Politik zum Ausdruck bringen und mit Unterstützung der User weltweit erreichen, dass alle Informationen bezüglich der atomaren Katastrophe offen gelegt werden. DIR EN GREY zeichnet sich im allgemeinen durch provokante Liedtexte aus, die Kritik an Gesellschaft und Obrigkeit transportieren. In Liedern wie „ZOMBOID“, „Pink killer“, „The IIID Empire“, „Red Soil“ usw. spiegelt sich ihre starke Abneigung gegen politische Unterdrückung und soziale Missstände wider.

Nun schreibt die Band auf ihrer Internetseite in einem offenen Brief, dass man sich nicht sicher sein kann, inwiefern die japanische Regierung korrekte Aussagen treffe bzw. Informationen über die atomare Katastrophe zurückhalte. Die Band stellt fest, dass die Strahlenbelastungsgrenze zwar ständig nach oben hin korrigiert wird, jedoch nach wie vor davon gesprochen werde, dass kein Risiko für die Gesundheit bestehe. Da nach ihrer Ansicht „unbequeme“ Meinungen von der Regierung unterdrückt werden, bezweifeln sie, dass Japan nach wie vor demokratisch sei und es dadurch nicht möglich sei, herauszufinden, was in dem Land vor sich gehe. Im Bestreben, die „Wahrheit“ zu finden und zu handeln, sind die Bandmitglieder sich sicher, dass sie jede Hürde überwinden können. Dieser Wille kommt z.B. in ihrem im August 2011 erschienenen Album „Dum Spiro Spero“ (dt. Solange ich atme, hoffe ich) zum Ausdruck. Am Ende des Briefes auf der Homepage bittet DIR EN GREY die Leser, sie in ihrer Suche nach der „Wahrheit“ zu unterstützen. Weiter unten auf der Seite findet sich zudem eine Videobotschaft der Band mit dem Titel „SCREAM FOR THE TRUTH“. In dem Video nehmen die einzelnen Mitglieder Stellung zu der Situation in Japan nach dem 11. März 2011, äußern sich dazu, wie sie mit ihr umzugehen versuchen und sprechen darüber, wie sie das Land „Japan“ empfinden. Ein Kommentar eines Bandmitglieds lautet in etwa, dass Japan „ein Land voller Lügen sei, was jetzt jeder mehr als deutlich spüren könne“.

Am 11. November 2011 gab es das letzte Update der Seite. In einem Post ruft die Band dazu auf, die Stimmen gegen die politische Vorgehensweise der Informationszurückhaltung zu erheben. Um aktiv an der „Scream for the truth“-Bewegung teilzunehmen, wurde extra ein Forum eingerichtet, in dem sich die Website-Besucher austauschen können. Desweiteren wurde eine „Keep Screaming“ genannte Seitenkategorie erstellt, in der Kritik geäußert werden kann, bzw. die japanischen Politiker in Form verschiedener Beiträge (Video- oder Fotobotschaften) dazu aufgefordert werden können, die wahren Gründe für die Katastrophe preiszugeben. Die weltweite Unterstützung und Resonanz, so hoffen die Bandmitglieder, zwingt die Politiker zum Umdenken.

Als Fazit ist zu sagen, dass sicherlich eine gute Idee hinter der Website steckt, die Umsetzung des angestrebten Projekts „Wahrheitsfindung“ jedoch nur schleppend vonstattengeht. Die Kategorie „Keep Screaming“ enthält lediglich zwei Videos und 49 Fotos, wobei die Fotos von einer einzigen aus fünf Personen bestehenden Gruppe hochgeladen wurden. Der letzte Eintrag der Bandmitglieder im November 2011 lässt es fragwürdig erscheinen, inwieweit die Band ihre Aktivitäten ernst gemeint hat oder meint, bzw. stellt man sich die Frage, ob es eine Strategie des Plattenlabels war, Werbung für DIR EN GREY und ihr neues Album zu machen. Selbst wenn es die Intention der Band sein sollte, den Fans das Agieren zu überlassen, würde eine Moderation der Bandmitglieder in zeitlichen Abständen mehr Ernsthaftigkeit und Authentizität des Projekts vermitteln.

Das Forum enthält nur fünf Beiträge, wovon in den Posts die Zeilen von den Usern hauptsächlich dazu verwendet werden, Eigenwerbung für die „Scream for the truth“-Kampagnen zu betreiben oder sich gegenseitig zu beschimpfen und zu kritisieren. Neben den inhaltlichen Schwachpunkten der Website fragt sich freilich auch, ob ein von außen kommender Protest die japanische Regierung in ihren Handlungen beeinflussen würde oder ob es nicht viel maßgeblicher wäre, wenn die japanische Bevölkerung Maßnahmen ergreifen würde.


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