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Die Initiative


Textinitiative Fukushima - Kurzdarstellung

Die Textinitiative Fukushima wurde im April 2011 ins Leben gerufen. An ihr beteiligen sich die kulturwissenschaftlich arbeitenden Japanologien Frankfurt (Prof. Dr. Lisette Gebhardt) und Leipzig (Prof. Dr. Steffi Richter); auch Zürich (Prof. Dr. Raji C. Steineck) hat sich der Initiative angeschlossen. Das Projekt setzt es sich zum Ziel, Texte verschiedener japanischer Akteure der Debatte um Fukushima ins Deutsche zu übertragen. Übersetzt und kommentiert werden sollen Beiträge aus den Wissenschaften, aus dem Journalismus, der Politik, der Kunst, der Literatur, der Philosophie oder der Popkultur: also Aktuelles, Tiefgründiges, Diskussionswürdiges zu den Katastrophen und ihren Kontexten.

Hier die japanische Version: 「フクシマ」テキスト翻訳イニシアティブ
Hier die englische Version: The Fukushima Text Initiative – A Short Description


Die Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 hat das Leben zehntausender Menschen im Nordosten Japans – in der Tôhoku-Region – vernichtet, das von Hundertausenden mit einem Schlag verändert. Sie wird nicht nur Japan, sondern vermutlich die Welt verändern, auch wenn heute niemand sagen kann, in welcher Weise.

Die Dreifachkatastrophe ist auch ihrer medialen Repräsentation wegen von Beginn an ein globales Ereignis, und sie ist daher auch von Anfang an medial umstritten. Wer wie in welchem Medium über welche Aspekte der Katastrophen und in welcher Tonart berichtete und berichtet – das hat nicht nur wohlwollende Aufnahme, sondern auch Unmut oder  gar Wut hervorgerufen. Deutlich geworden ist unter anderem auch eine tiefe Kluft zwischen den herkömmlichen Mainstream-Medien und den sogenannten Neuen Medien, insbesondere  dem Internet. Kritische Stimmen, die längst auch in Japan wieder und wieder gewarnt hatten vor möglichen, nun bittere Realität gewordenen Gefahren der sogenannten „friedlichen Nutzung der Atomkraft“, konnten (und können) in ersteren kaum, in letzteren aber sehr wohl gefunden und vernommen werden. Und so haben Lehrende und Studierende der Japanologien der Universitäten Leipzig und Frankfurt/Main sich darauf geeinigt, Texte (im weiten Sinne des Wortes) zusammenzutragen und aus dem Japanischen ins Deutsche zu übertragen, um einige dieser Stimmen einer über Japan, das Fach Japanologie und die akademische Welt allgemein hinausgehenden Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Making Things Public. Atmosphären der Demokratie“ nannte sich eine 2005 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe stattgefundene Ausstellung, an die dabei zumindest vom Ansatz her angeknüpft werden soll. Dieser ging es damals darum, das Problem der Repräsentation in der Politik und damit den Begriff des Politischen selbst einer Prüfung zu unterziehen, danach zu fragen, was diese Dinge selbst sind, von denen angenommen wird, sie stünden „im Dienste des/r Menschen“, sie seien beherrschbar.

Auf einem ersten Treffen am 28. April 2011 in Frankfurt haben wir uns darauf verständigt, bestimmte Akteure aus Japan vorzustellen, die als Experten – sei es im Bereichen der Wissenschaft, des Journalismus, der Politik, der Kunst oder der Popkultur – Aktuelles, Tiefgründiges, Diskussionswürdiges zu den Katastrophen und ihren Kontexten geäußert haben (wofür einige von ihnen erhebliche persönliche Nachteile, ja soziale Ausgrenzung in Kauf nehmen mussten).  Zugleich sind es bestimmte Topoi, die uns auch deshalb interessieren, weil sie bislang kaum oder tendenziös thematisiert wurden – etwa die sogenannten „AKW-Gipsy“, die Geschichte der Nutzung atomarer Energie in Japan und Proteste dagegen, die angebliche Gelassenheit bzw. Gefasstheit „der Japaner“.

Ziel der Initiative ist, einhergehend mit dem aufklärerischen Aspekt, auch die Schulung kritischen Denkens: Extremereignisse bzw. Krisensituationen in (post-)modernen Gesellschaften sind zum einen inhaltlich eine Herausforderung, mit der es sich lohnt auseinandersetzen, die uns zwingt, gewohnte Denkmuster und analytische Instrumentarien in Frage zu stellen. Im „Editorial“ der Initiative “Japan – Fissures in the Planertary Apparatus” heisst es diesbezüglich z.B.:

What Japan’s calamity, most of all, the agony of the people embodies has less to do with the nationality than the entire capitalist regime that seems to persist in relying on atomic energy. The question here is: if green capitalism, a better capitalism is possible by ousting nuclear power plants; or today’s global capitalism is so much netted with the technology whose indispensable part is the atomic energy that ousting nuclear power plants is equal to ousting capitalism itself or something that might be considered as the planetary apparatus whose driving force is capitalism. These questions notwithstanding, the truth is revealed only as what the people of Japan and the entire world do from now on. (http://jfissures.wordpress.com/2011/03/30/editorial/ )

Erwähnenswert ist diese Website zugleich deshalb, weil es auch ihren Akteuren darum geht, „to translate, quote and analyze as much information as possible from Japanese into English, and translate your encouragements, comments, suggestions, analysis, proposals and anything written in English into Japanese for the vantage point of the people struggling there and everywhere”. Uns an ihnen zu messen, wäre vermessen – nicht nur vielen großen Namen wegen, die an dieser Initiative mitwirken, sondern auch angesichts der Professionalität ihrer Übersetzer. Wir arbeiten mit Studierenden, die dieses mühsame und zeitaufwendige Unterfangen der Textübertragung gerade erst erlernen, was nicht verborgen werden kann und soll.

Wir laden ein, die kleinen Projekte, die in den nächsten Monaten präsentiert werden, kritisch zu begleiten. Intendiert ist aber auch, Doppelungen zu vermeiden, und einander zur Kenntnis zu nehmen, was vielleicht im Rahmen weiterer Initiativen in Arbeit ist. Dann wäre es wichtig und schön, wenn es zum Austausch und zur gegenseitigen Bereicherung käme.

Leipzig/Frankfurt im Mai 2011
Prof. Dr. Steffi Richter
Prof. Dr. Lisette Gebhardt

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