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AKW Hamaoka – Das Ego der Einwohner (1)

21.01.2011 14.09 Uhr - Autor: KAWAKAMI, Takeshi

Quelle: http://www.janjanblog.com/archives/29147
übersetzt von: Daniel Schölzel (Universität Leipzig)


Die ersten Verlautbarungen Chūbu Electrics beinhalteten das Versprechen, dass das AKW Hamaoka nur bis zu Reaktor 4 gebaut werden würde. So war es mit den Bewohnern fest vereinbart. Mit der Errichtung von Reaktor 4 aber änderte sich das. Es hieß nun, die Bewohner würden unbedingt einen 5. Reaktor haben wollen, und so sei dessen Bau nun auch vorgeschlagen worden. Ein Teil der Bewohner hatte diesen Wunsch tatsächlich deutlich geäußert.

Als 1993 der Bau von Reaktor 4 zu Ende ging, wurden die beteiligten Arbeiter, die aus allen Teilen des Landes versammelt worden waren, zurückgezogen und die Stadt Hamaoka verfiel zurück in die Stille früherer Zeiten. Aus diesem Grund wurde ein Teil der Betreiber von Unterkünften und der Gaststättenbesitzer mit den Slogans „Noch eine AKW-Blase!“ „Wir fordern den Bau eines weiteren Reaktors!“ am Hauptsitz von Chūbu Electrics in Nagoya vorstellig. Es ist natürlich nicht so, dass nur auf das Gesuch einer Handvoll von Bürgern Omaezakis hin der Bau von Reaktor 5 in Hamaoka beschlossen worden war.

Dennoch hat es den Weg für Chūbu Electrics geebnet, das ohnehin vorhatte, die Anzahl der Reaktoren zu vergrößern. Der Nachdruck durch die Menschen auf dem Land wurde zum Antrieb der Erweiterung und der Bauplan von Reaktor 5 dann entworfen. Als dann unter den Bewohnern die Diskussion über das Für und Wider des Baus gerade hochkochte, machte eine Nachricht in ganz Japan die Runde:

Am frühen Morgen des 17.01.1995 ereignete sich das unfassbare Hanshin-Awaji-Erdbeben. Tagelang liefen im Fernsehen die Bilder von den kollabierten Autobahnen und Gebäuden in Kōbe. Tatsächlich ängstigten sich auch die als Musterschüler der AKW-Standorte bezeichneten ehemaligen Einwohner Hamaokas und allmählich vertrat die Mehrheit die Meinung, dass Reaktor 5 nicht gebaut werden sollte. Zusätzlich machte rasch das Gerücht die Runde, dass das AKW Hamaoka genau im Zentrum des Ursprungsgebietes des großen Tōkai-Erdbebens liege, das bald kommen würde. Die AKW-Gegner unter den Bürgern munkelten optimistisch, dass damit wohl der Vorschlag des Baus von Reaktor 5 vom Tisch sein würde, dem aber war in Wirklichkeit nicht so.

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Es war im März 1967, als Chūbu Electrics den Plan zum Bau eines Atomkraftwerks im Bezirk Sakura des ehemaligen Hamaoka an die Stadt herantrug. In der Stadtgeschichte Hamaokas steht relativ nüchtern geschrieben, dass „die hiesige städtische Behörde mitteilt, dass in Anbetracht der Bedeutung der Sache man zur Übernahme [des AKW; D.S.] bereit sei, wenn dem im Ergebnis sorgfältigster Untersuchung ein Großteil der Bewohner des Stadtbezirkes sowie der Stadt zustimmt. In der Folge wurden durch die Stadt und Chūbu Electrics, Ltd. Dutzende Informations- und Diskussionsveranstaltungen durchgeführt und das Verständnis sowie die Unterstützung [für den Bau; D.S.] erbeten.“

Doch zweifellos war es für die Bewohner des einstigen Hamaoka eine große Sache, dass die kleine Stadt am Meer ein AKW bekommen würde. Und so wurden –zig Informationsveranstaltungen und Diskussionsveranstaltungen abgehalten und die Einwohner hörten von sogenannten Wissenschaftlern, die Chūbu Electrics eingeladen hatte, Folgendes: „Es bricht nunmehr ein Zeitalter an, in dem die Menschen beliebig zum Mond fliegen können. Tag für Tag, Monat für Monat schreitet die Wissenschaft voran, und so wird in der Zukunft selbstverständlich eine Arznei erfunden werden, mit der die heute gefürchtete Strahlungsgefahr durch einfaches Besprühen neutralisiert und unschädlich gemacht wird. Selbst wenn es im Unglücksfall zu Verstrahlungen kommen sollte, heilt man diese damit umgehend.“

An einem anderen Tag gab es außerdem folgende Erläuterung: „Sowohl Strahlung als auch Krebs werden wohl in 10 Jahren beide besiegt sein. Deshalb gibt es keinen Grund, sich zu sorgen, auch wenn in dieser Stadt ein AKW gebaut werden wird...“. Weil solche kindischen Lügenmärchen von angesehenen Personen ohne mit der Wimper zu zucken vorgetragen wurden, haben sie die einfachen Bewohner leider geglaubt. In der Stadt war das Thema der AKW-Anwerbung in aller Munde und es heißt, einer von ihnen, der sich über die lokale Entwicklung freute, habe ausgerufen: „Der Goldkranich ist im Acker von Hamaoka gelandet und trägt ein goldenes Ei.“

Die Erwartungen und den Jubel der Einwohner gegenüber dem AKW fasst diese Aussage in aller Kürze zusammen. Sie soll in der Stadtgeschichte geschrieben stehen, doch habe ich sie trotz langer Suche nicht finden können. Der Goldkranich, von dem hier die Rede ist, meint wohl Chūbu Electrics und das goldene Ei das AKW Hamaoka. Nun aber ist die Vergoldung von beiden bereits abgeblättert und das AKW hat sich in ein Ei eines Gift spuckenden, gefährlichen und fürchterlichen Monsters verwandelt.

Der Bau von Reaktor 1 des AKW Hamaoka begann im Jahr 1970. Chūbu Electrics erwarb das als Baugrund für das AKW vorgesehene Land im Bezirk Sakura für 1.600.000-1.800.000 Yen pro Tan1. Zu dieser Zeit war ein Preis von 50.000-100.000 Yen pro Tan üblich. Es war ein Festschmaus. In der Folge gab es viele AKW-Neureiche, die mit dem Geld des verkauften Landes neue Wohnungen errichteten und Autos kauften.

Die Bauern begannen Unterkünfte für die Arbeiter, die mit dem Bau des AKW in die Stadt kommen sollten, zu betreiben. Chūbu Electrics baute eine neue Straße nach der anderen, errichtete an zahlreichen Stellen prächtige Gemeindehäuser und baute öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken und Baseballfelder. Und die Landbesitzer in der Umgebung des AKW verhandelten eifrig, damit man ihr Land für den Bau von Firmenwohnungen und Mitarbeiterwohnheimen ankaufe. Chūbu Electrics, das die Einwohner beschwichtigen musste, ließ, wie es gefordert wurde, einen Festschmaus stattfinden und kaufte weite Landflächen in der Umgebung des AKW. Außerdem wurden riesige Entschädigungsbeträge an die Fischereiindustrie gezahlt.

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Die Dünenstadt Hamaoka hat unter dem Motto „Belebung der Region“ das AKW akzeptiert, um der Abwanderung einen Riegel vorzuschieben. Als der Bau von Reaktor 1 begann, bekamen viele Einwohner eine Anstellung, die Unterkünfte und Restaurants wurden durch die im Zusammenhang mit dem Bau aus dem ganzen Land heran gerufenen Menschen belebt und über lokalen Baufirmen regnete es riesige Geldbeträge. Durch die AKW-Konjunktur quoll die ganze Stadt über. Führten die Nachbarschaftsvereine Reisen oder Veranstaltungen durch, so unterstützte Chūbu Electrics diese aktiv mit Kapital.

Chūbu Electrics hat sich außerdem um die einflussreichen Persönlichkeiten der Region gekümmert und diese täglich beköstigt. Der sturen Gegnerfraktion hat man Reinigungsjobs im AKW zukommen lassen und sie auf diese Weise ruhig gestellt. Wenn man immer wieder Unterstützung erhält, wird dies zu einer Selbstverständlichkeit. Nach kurzer Zeit ließ sich ein Teil der Einwohner, wie gesagt wird, beim Trinken seelenruhig aushalten und forderte unter dem Vorwand der Unterstützungszahlungen Geld ein. Und so geriet schließlich die gesamte Stadt in Abhängigkeit von Chūbu Electrics.

Aber es war nicht etwa nur ein ganz kleiner Teil von besonders gierigen Bewohnern, die mit AKW-Geld gewonnen wurden. Auch die Abgeordneten der Stadtverwaltung Hamaokas bekamen irgendwann Geld von Chūbu Electrics für ihren Wahlsieg geschenkt. Man hört, dass dies seit der Zeit passiert, als kurz nach der Inbetriebnahme von Reaktor 1 das Thema des Tōkai-Erdbebens aufkam und Aufsehen erregte. Es gibt aber nicht nur einen Grund, warum Chūbu Electrics begann, Geld für Wahlsiege zu schenken. Man wollte verhindern, dass sich in der Parlamentsfraktion Stimmen gegen die Atomkraft erheben könnten. Ziel war, die Münder zu stopfen.

Solche Geschichten geraten natürlich nicht so einfach an die Öffentlichkeit, aber in der Befragung einer Vielzahl von Personen zeigte sich auch jemand, der dies direkt von Parlamentsabgeordneten gehört hatte. Zwei Abgeordnete hatten ihm davon erzählt. Beide hatten vor ungefähr 15 Jahren von Chūbu Electrics sogenanntes „Gratulationsgeld zum Wahlsieg“ einen Betrag von 500.000 Yen erhalten. Dies riecht nach Bestechung, aber auf die Frage, ob es als Einkommen angeben worden sei, habe es keine Antwort gegeben.

Zudem wurde dem Bürgermeister aus der Zeit des ehemaligen Hamaoka, der das AKW für die Region angeworben hatte, auf dem Gelände des Ikemiya-Schreins am Sakuraga-Teich eine Statue errichtet und damit dessen Verdienst gewürdigt . Sein Nachfolger bekommt als großer Verdienstträger an den Bauten bis Reaktor 5 jeden Monat 300.000 Yen als Belohnung von Chūbu Electrics ausbezahlt. Dieses Geld würde er bis zum Lebensende erhalten können. Und so wurden dort jene, die sich Verdienste um die Atomkraft erworben haben, reich belohnt; und auf diejenigen, die eine andere Meinung zur Atomkraft vertraten, wurde unter der Vermutung, dass sie Linke seien, hinter ihrem Rücken mit dem Finger gezeigt. Im schlimmsten Fall wurden sie geächtet.


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