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Aktuelles

Ringvorlesung "Fehler und Nichtfunktionieren in (digitalen) Gesellschaften" (TU Darmstadt, WS 23/24)

Im Wintersemester 2023/2024 findet an der TU Darmstadt eine von Prof. Dr. Martina Kessler (Technikgeschichte) organisierte Ringvorlesung zum Thema des "Nichtfunktionierens" in (digitalen) Gesellschaften statt. Zwischen Oktober 2023 und Januar 2024 werden insgesamt 13 Vorträge gehalten.

Ankündigung: "Error. Kaputt. Es funktioniert nicht. Dass digitale Technologien nicht funktionieren, ist nicht nur ein Phänomen spektakulärer Unfälle und technischer Katastrophen. Es gehört als unangenehme Unterbrechung zu den alltäglichen Erfahrungen.

Fehlerhafte Technik ist allerdings keineswegs nur ein Phänomen der Moderne. Doch was zeichnet unsere heutige fehlerhafte, nicht funktionierende Gesellschaft aus? Wie ging man in der Frühen Neuzeit mit technischen Fehlern um? Und in anderen Kulturen? Wann gilt etwas überhaupt als Fehler? Und ist der technische Fehler letztlich nicht doch ein menschlicher Fehler?

In der interdisziplinären Ringvorlesung werden diese und viele andere Fragen gestellt. Dabei werden historische Perspektiven verbunden mit Fragen nach der Fehlerkommunikation in gegenwärtigen Gesellschaften sowie nach Strategien von Technikwissenschaften und Gesellschaften, Fehler zu finden, zu vermeiden oder zu bewältigen."

Link zum Programm der Ringvorlesung: https://www.geschichte.tu-darmstadt.de/institut_fuer_geschichte_1´


Rezension zu John Herseys Reportage „Hiroshima“ (1946)

"Eine frühe Episode dieser Bestimmung japanisch-amerikanischer Verflechtungen nach 1945 zeigt sich symbolhaft in der Reportage Hiroshima (1946) des Schriftstellers und Kriegsreporters John Hersey (1914-1993), die nun 2023 durch die Übersetzung von Justinian Frisch und Alexander Pechmann in neuer Auflage beim Verlag Jung und Jung vorliegt. Ergänzt ist diese Edition um ein 1985 verfasstes Kapitel über die Spätfolgen der Bombe. Hersey reiste im Mai 1946 nach Hiroshima und sammelte kein Jahr nach dem Atombombenabwurf Erfahrungsberichte von sechs Überlebenden, trotz Widerstand der amerikanischen Besatzungsbehörden. Was seitens des Verlagstexts als eine der wichtigsten journalistischen Arbeiten des 20. Jahrhunderts beworben wird, ist in der Tat ein Meilenstein der öffentlichen Wahrnehmung über das menschliche Zerstörungspotential im Atomzeitalter [...]

Die Selbstpositionierung Herseys als Aufklärer über die Atombombe und das anonyme Sterben im Weltkrieg beschert ihm eine transnationale und zeitlose Bedeutung als Dokumentar der Gräueltaten des 20. Jahrhunderts und des Atomzeitalters. Auch das 1985 veröffentlichte Zusatzkapitel verdeutlicht diesen Appell und spiegelt zugleich die Angst des Autors wider, dass die Ereignisse in Hiroshima in Vergessenheit geraten könnten. Dabei wird der übergreifende Kontext zwischen den Atombombenabwürfen in Japan und der Realität des Kalten Krieges sowie dem Potential der atomaren Apokalypse hergestellt. Hersey durchbricht den Stil der vorherigen Kapitel mit Einschüben über das aktuelle atomare Zeitgeschehen und verleiht dem Werk auch dadurch bis heute eine unverminderte Relevanz. Bereits 1949 erscheint eine japanische Übersetzung, die, wie man nachliest, nie außer Druck gegangen ist"

Christian Chappelow für literaturkritik.de, 25. Juli 2023

Link: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=29829


Kühlwasser Verklappung im August 2023

"Storage tanks holding the cooling water at the ruined facility are full. Japan has had to cool the reactors at the nuclear power plant since they were destroyed during a catastrophic tsunami in 2011. It takes 170 tons of cooling water per day to keep them cool. In addition, rain and groundwater have been seeping into the site. There are 1,046 storage tanks holding 1,343 million cubic meters of water. Once the water has been filtered, it is considered safe and sent through a one-kilometer (0.62 mile)-long tunnel before being released into the Pacific Ocean — a process that will take an estimated 30 years to complete. The radioactive waste, meanwhile, will remain on land." (dw 23. August 2023)

Links: https://www.meti.go.jp/english/speeches/ministers_statements/2023/20230824.html

https://www.dw.com/en/fukushima-nuclear-water-release-how-safe-is-it/a-66608666


Kohei Saitos "Systemsturz" (2023) und sein Blick auf Fukushima - eine Rezension von Thomas Schwarz

"Fukushima als Probe aufs Exempel für das revolutionäre Potential Japans

Zu den revolutionären kommunistischen Forderungen von Saito gehört die „Vergesellschaftung großer Ölkonzerne, von Großbanken und digitaler Infrastruktur“ (sprich: Google, Apple, Facebook und Amazon). Um in dem von Marx verheißenen „Reich der Freiheit“ anzukommen, gelte es, ein „System“ zu „zerschlagen“, das auf „endloses Wachstum“ ausgerichtet ist und „die Menschen zu überlangen Arbeitszeiten und schrankenlosem Konsum antreibt“. Das in Verbindung mit dem Aufruf zu Massenprotesten öffentlich zu verlangen, erfordert beträchtlichen Mut in einem Land, das so konservativ ist wie Japan. Umso erstaunlicher ist die positive Resonanz, die Saitos Manifest in der japanischen Leserschaft gefunden hat. Die Rede ist von einer halben Million verkaufter Exemplare, das sind bald vier Prozent der Bevölkerung Japans. Saito ist ein Anhänger der These, die von der Politologin Erica Chenoweth aufgestellt worden ist. Sie prognostiziert große gesellschaftliche Umwälzungen für den Fall, dass „3,5 Prozent der Menschen gewaltlos und entschlossen aufbegehren“. Wenn die Bereitschaft, sich lesend auf einen komplexen Gedankengang einzulassen, auch zu einer politischen Handlungsfähigkeit führte, die diesem entspricht, dann könnte am Ende Japan das Land sein, das anderen den Weg in die Zukunft weist. Vorläufig spricht dagegen, dass das de facto verstaatlichte Tokyoter Energieversorgungsunternehmen Tepco seit dem 24. August 2023 aus den Tanks der havarierten Reaktoranlage von Fukushima mit Tritium kontaminiertes Wasser in den Pazifik pumpen kann, ohne dass es in Japan zu nennenswerten Protesten gekommen wäre. Obwohl es auch Wissenschaftler gibt, die vor einer unzureichenden radiologischen und ökologischen Folgenabschätzung der Einleitung warnen, nimmt noch immer mehr als die Hälfte der japanischen Bevölkerung der Firma Tepco Presseerklärungen mit Sicherheitsversprechen ab. Würde man in Fukushima hingegen Saitos Vorschlag folgen, nicht nur Elektrizitätswerke, sondern die ganze damit in Verbindung stehende Infrastruktur, also auch die Reaktorruinen, als Commons auf lokaler Ebene von den Bürgern verwalten zu lassen, würden sich wohl die unmittelbar betroffenen Fischer von Fukushima mit einem „Nein“ durchsetzen." Thomas Schwarz, Literaturkritik.de (4. September 2023)

Hinweis: Am 8. September findet in der berlin-brandenburgischen Akdamie der Wissenschaften ein Gesprächsabend mit Kohei Saito statt (https://www.dtv.de/autor/gregor-wakounig-19159 https://www.bbaw.de/veranstaltungen/veranstaltung-marx-meets-degrowth-on-the-origin-of-gegrowth-communism)


Fundstück - Traditionelles Kunsthandwerk und FUKUSHIMA: Negaidama von Hayakawa Minako

"Zusätzlich dazu, die Menschen zum Nachdenken über traditionelles volkstümliches Kunsthandwerk anzuregen, gab diese Bewegung auch einen Anstoß dazu, ganz neue Produkte zu kreieren. Hayakawa bemerkte, dass diese Entwicklung „mit dem Wiederaufbau verknüpft war“ in Form eines Vermittelns von Impulsen, und sie begann, völlig neue Papiermaché-Formen herzustellen. Ihr erstes neues Produkt war ein negaidama oder „Wunschball“, der auf ein okiagari koboshi mit traditionellen japanischen Mustern gemalt wurde, die Glück bringen sollen. Später beteiligte sie sich an einem Akabeko-Projekt, das den Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten durch Mal-Workshops und Ausstellungen von akabeko unterstützte, die von unterschiedlichsten Menschen kreiert worden waren. Im Rahmen dieses Projekts schuf Hayakawa eine Kuh mit einem Wellenmuster, das als seigaiha bekannt ist. Seigaiha ist ein traditionelles japanisches Muster, bei dem die sich ins Unendliche fortsetzenden Wellen die Vorstellung von anhaltendem Glück verkörpern. Auf der anderen Seite erinnert das Muster aber auch an den Tsunami, der derart tragische Verheerungen anrichtete. Hayakawa: „Auch wenn ich unmittelbar nach dem Erdbeben zögerte, dies so deutlich zum Ausdruck zu bringen, wollte ich doch nicht, dass die Menschen den Tsunami vergessen. Ich bemalte daher die Kühe auch deshalb mit diesem Muster, um die Entschlossenheit zum Ausdruck zu bringen, dass wir den Tsunami überwinden werden.“" (HAYAKAWA Minako/ Mai 2023, BOTSCHAFT VON JAPAN - Kultur)

Link: https://www.de.emb-japan.go.jp/NaJ/NaJ2305/post_two.htm


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